Beurteilung von Kreuzfahrtschiffen, spezifischen Teppichbodenflächen und Kunstharzbeschichtungssystemen

In Fachkreisen ist es kaum bekannt, dass auf modernen Kreuzfahrtschiffen (je nach Größenordnung) bis zu tausende Quadratmeter hochwertige Axminster-Teppichbo-denbahnen auf Nagelleisten „verspannt“ werden. Weiterhin werden auch tausende Quadratmeter unterschiedlicher Kunstharzbeschichtungssysteme (= systembezogen) hergestellt bzw. verarbeitet.

Da der Verfasser des hier in Rede stehenden Fachbeitrages eine Vielzahl Werften von großen Kreuzfahrtschiffen betreut (im Rahmen der Qualitätssicherung), kommt es auch vor bzw. ist bekannt, dass die Reederei nach einer Nutzung der neu erbauten Kreuzfahrtschiffe bereits nach mehreren Wochen oder aber auch nach Monaten Mängelrüge gegenüber der jeweiligen Werft vorträgt, und zwar wie folgt:

  • Unübliche Trampelpfade innerhalb von Teppichbodenflächen,
  • hell-dunkel Effekte (= Shading-Effekte in unterschiedlichen Abmessungen),
  • Kontaktschmutzansammlungen innerhalb der Teppichbodenpolschicht,
  • Abflusen der Polfäden (= Axminster-Teppichbodenqualität),
  • Beeinträchtigung der Teppichbodenpolschicht hinsichtlich des Geltungsnutzens,
  • die Kunstharzbeschichtungsebene/-flächen weisen Kratzer/Schrammen und teilweise auch Abplatzungen auf,
  • partiell in Flächenbereichen, wo es erforderlich ist, fehlt die unabdingbar erforderliche Gleitreibung/Rutschhemmung.

 

Bei derartigen Beanstandungen/Mängelrügen der Reederei gegenüber einer Werft sind gutachterliche Leistungen hinsichtlich Ursachenforschung/Beurteilung der vorgenannten Schadensbilder/Erscheinungsbilder jeweils an Ort der Kreuzfahrt-Riesen erforderlich.

 

Die jeweiligen Reedereien legen großen Wert auf besonders hohe Qualität von Axminster-Teppichbodenkonstruktionen und den vorgenannten Kunstharzbeschichtungssystemen.

 

Die in der Vergangenheit ermittelten nachfolgenden Erscheinungsbilder innerhalb von Teppichbodenkonstruktionen/-polschichten in einer Vielzahl von Kreuzfahrtschiffen konnten bestätigt werden:

 

  • Jeweils in den Gangbereichen/Flurbereichen vor den Shops wiesen die Teppichbodenkonstruktionen also die Teppichbodenpolschichten unübliche „Trampelpfade“ auf.
     
  • Auch der sonst übliche „Textilcharakter“ der Teppichbodenpolschicht konnte in diesen Hauptlaufzonenbereichen nicht mehr festgestellt werden.
     
  • Die Teppichbodenflächen/-konstruktionen im Farbton „Uni“ (ohne Muster) wiesen je nach Lichtreflexion und Lichteinfall unübliche/erhebliche hell-dunkel Effekte auf.
    Die vorgenannten hell-dunkel Effekte markierten sich sehr deutlich in „Wolkenform“ aber auch dort, wo eine erhöhte Frequentierung/Nutzung durch Passagiere/Gäste stattfindet in Längsscheitelungen der Teppichbodenpolschicht.

 

Die jeweils an Ort und Stelle durchgeführte Praxisversuchsreihe

 

  • Hammerstielprüfung
  • Polschichtbestimmung (= Produktionsrichtungsfestlegung)
  • Mikroskopische Untersuchungen

 

hat bestätigt, dass innerhalb der Teppichbodenkonstruktion unübliche „Polschicht-Scheitelungen“ vorhanden sind bzw. vorliegen, die als „Shading-Effekte“ einzustufen waren bzw. sind.

 

Trotz intensivem Aufbürsten der Teppichbodenpolschicht mittels einer „mittelharten Wurzelbürste“ konnte eine Neutralisierung der vorgenannten Teppichbodenpolschicht/Polschichtscheitelung nicht festgestellt werden.

 

Je nach Lichtreflexion, in aufrecht stehender aber auch in gebückter Haltung, wurden die hell-dunkel Effekte der Teppichbodenpolschicht sehr deutlich sichtbar, und zwar in verschiedenen geometrischen Formen.

 

Das Gesamtbild der Teppichbodenflächen war somit erheblich beeinträchtigt hinsichtlich des Geltungsnutzens.

 

Weiterhin wurde sehr oft auch von den Reedereien gegenüber den Werften gerügt, dass die Teppichbodenpolschicht „Abflusungen“ aufweist.

 

Derartige mikroskopisch nachgewiesene „Abflusungen“ gelten nicht als ein Mangel, weil sehr oft ermittelt worden ist, dass keine funktionsfähigen Bürstsauger zum Einsatz gekommen sind und es sich somit hierbei um „Restflusungen“ handelt, die produktionstechnisch bei einer Axminster-Ware unvermeidbar sind.

 

Bezogen auf die bereits genannten Kunstharzbeschichtungssysteme konnte festgestellt werden, dass auf bestimmten Kreuzfahrtschiffen Beschichtungssysteme zum Einsatz kamen, wo die Oberflächenversiegelung ein ungenügendes adhäsives Verhalten zur eigentlichen Beschichtung hingehend aufwies. Auch die Rutschhemmstufe/Gleitreibung bezogen auf den jeweiligen Verwendungszweck entsprach nicht überall den allgemeinen Anforderungen (= Rutschhemmstufe R10; R11).

 

Wie konnten derartige Erscheinungsbilder und auch Schadensbilder nach dem Verursacherprinzip entstehen?

 

Richtig ist, dass im Rahmen der Ursachenforschung in Forschungsinstituten hinsichtlich der Teppichbodenkonstruktion/-qualität bestätigt werden konnte, dass diese hier in Rede stehende Axminster-Teppichbodenkonstruktion als sehr hochwertig bezüglich des Geltungsnutzens einzustufen war bzw. ist (insbesondere auch hinsichtlich der jeweiligen Muster).

Es fiel jedoch auf, dass einige Teppichbodenqualitäten/-konstruktionen (= Axminster-Ware) für diesen Verwendungsbereich (= starke Nutzung/Frequentierung) im Gangbereich vor den jeweiligen Shops aber auch in anderen Räumlichkeiten, die erheblich stark genutzt als frequentiert worden sind, nicht geeignet ist.

 

So wurden z. B. bezogen auf die Teppichbodenkonstruktion entsprechend der DIN EN 1307 nur Beanspruchungsklassen 22 ermittelt (= entsprechend der EN 685 bzw. der EN ISO 10874 für Bereiche mit mittlerer Nutzung im privaten Wohnbereich).

 

Bezüglich der „Shading-Effekte“ haben die jeweiligen Teppichbodenhersteller gegenüber der Werft überwiegend keine Gewährleistungsausschlüsse für „Shading-Effekte“ hinsichtlich Velours-Polschichten vereinbart.

 

Für die Leser dieser Fachzeitschrift nochmals ein besonderer Hinweis:

 

das Wort „Shading“ stammt aus dem englischen und bedeutet so viel wie „vielschichtige Schattierungen“.

 

„Shading“ ist also eine Florverlagerung bei Velours-Teppichböden, die zu einer rein optischen Farbveränderung führt, und zwar durch die ungleich orientierten Polschenkel wird der Lichteinfall/die Lichtreflexion ungleichmäßig reflektiert.

 

Im Gegensatz zu sonst üblichen Trampelpfaden/Laufstraßen ist beim „Shading“ der Polfaden oberhalb des Grundgewebes nicht dicht geschlossen („verformt/geknickt“), sondern nur überwiegend in den Faserspitzen. Der Flor hat partiell eine andere Lage als die übrige Polschichtoberfläche. Die Ursache von „Shading“-Effekten ist und bleibt immer noch ein Phänomen, also ein großes Rätsel. Grundsätzlich können alle Velours-Teppichböden betroffen werden, unabhängig vom Polmaterial und/oder von der Herstellungsart.

 

Durch umfangreiche Experimente (= Forschungen) konnte hingegen eindeutig bewiesen werden, dass „Shading“ durch unbekannte Einflüsse an Ort und Stelle, dort wo die Verlegung durchgeführt worden ist, entstehen.

 

Es ist bekannt, dass „Shading“ befallene Teppichbodenkonstruktionen, die durch eine andere Veloursqualität ersetzt werden, nach einer gewissen Zeit wieder unweigerlich „Shading“ bekommen, und zwar mit den bereits genannten geometrischen Formen.

 

Auf den Kreuzfahrtschiffen, wo sich die Versiegelung des Kunstharzbeschichtungssystems gelöst hatte, sind umfangreiche mechanische Unterbodenvorbereitungsarbeiten erforderlich. In diesen Fällen muss jeweils ein neuer Oberflächenschutz auf Kunstharzbasis hergestellt werden.

 

Die Prüfung der Rutschhemmung (= Gleitreibung) hat, wie bereits beschrieben ergeben, dass nicht überall die unabdingbar erforderliche Gleitreibung/Rutschhemmung vorliegt, auch hier sind Nacherfüllungen unabdingbar erforderlich.

 

Fazit

 

Die Auftragnehmer, der von entsprechenden Werften beauftragt wird, die gelieferten Teppichbodenbahnen zu verlegen/zu kleben oder zu verspannen, sollte auf jeden Fall gegenüber der Bestellerseite u. a. darauf hinweisen:

 

Wir können nur für unsere handwerklichen Leistungen, jedoch nicht für die materialspezifischen kennzeichnenden Merkmale der zur Verfügung gestellten bzw. gelieferten Teppichbodenbahnen/-qualitäten eine Gewährleistung/Haftung übernehmen.

 

Bezüglich der Axminster-Teppichbodenkonstruktion wurden auf den jeweiligen Kreuzfahrtschiffen keine handwerklichen Fehlleistungen festgestellt, sondern nur die in diesem Fachbeitrag beschriebenen Erscheinungsbilder.

 

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