Siggi Heuer´s Blickpunkt
Tatort "Handwerkliche Fehlleistungen in einem Verwaltungsgebäude"

Zur Sache

In Fachkreisen ist bekannt, dass jeder Auftragnehmer bezüglich seines Gewerkes die notwendigen Sachkenntnisse besitzen muss, um den Auftraggeber/Bauherrn (= Besteller) fachkundig/sachkundig beraten zu können.

Der Auftragnehmer schuldet nicht die Abarbeitung der Leistungsbeschreibung (das Bau-Soll) unter Berücksichtigung der vorgegebenen Bauumstände und des beschriebenen Bauinhaltes, sondern ein funktionstaugliches Werk und somit den funktionalen Leistungserfolg.

Verdammt nochmal, immer wieder handwerkliche Fehlleistungen und anwendungstechnische Problemstellungen beim Verlegen/Kleben/Fixieren von Teppichbodenbahnen/-fliesen auf Hohlböden/Doppelbodenflurtrassen

In einem besonders repräsentativen Verwaltungsgebäude/Großprojekt hat der Auftragnehmer den Auftrag erhalten, auf Hohlböden/Doppelbodentrassen hochwertige gewebte aber auch getuftete Teppichbodenbahnen/-fliesen/-platten zu verlegen/kleben und partiell auch zu fixieren.

Anlässlich des Schiedsgutachtertermins wurde von den anwesenden Beauftragten der beteiligten Parteien zu Protokoll gegeben, dass auf einer Gesamtgrundrissfläche von ca. 30 000 m² die hier in Rede stehenden Teppichbodenbahnen/-fliesen auf einer Hohlraumtrockenbodenkonstruktion mit Doppeltrassenführung verlegt bzw. geklebt worden seien (teilweise auch fixiert).

Die vorgenannten Räumlichkeiten werden als Büro- und Tagungsräume genutzt.

Eine rechtsverbindliche/zivilrechtliche Abnahme der hier in Rede stehenden Leistungen vom Besteller gegenüber dem Generalunternehmer und dieser wiederum gegenüber dem Auftragnehmer wurde verweigert, aufgrund einer Vielzahl Schadensbilder/Erscheinungsbilder bezogen auf die hier in Rede stehenden Teppichbodenebene.

Die vom Auftragnehmer bisher durchgeführten Nacherfüllungen bezüglich der Teppichbodenarbeiten brachten nicht den gewünschten Erfolg.

Handelt es sich um handwerkliche Fehlleistungen/anwendungstechnische Problemstellungen des Auftragnehmers oder um materialspezifische kennzeichnende Merkmale dieser hier in Rede stehenden Fußbodenkonstruktion einschließlich der Teppichbodenpolschicht/-nutzschicht?

Fakt ist, dass der Auftragnehmers in seiner Sorgfalts-, Prüfungs- und Hinweisverpflichtung mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt keine Bedenken gegen die Ausführungen seiner Leistungen geltend gemacht hat.

Besondere Anmerkung zu diesem hier in Rede stehenden Sachverhalt

Der Unternehmer darf sich grundsätzlich nicht ohne eigene Prüfung auf Anordnungen etc. des Bestellers verlassen, selbst wenn dieser von einem Architekten, Fachplaner oder einer sonst kompetenten Person beraten wird.

Der Unternehmer wird nur dann von seiner Mängelhaftigkeit befreit, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Anordnungen, Leistungsverzeichnisse usw. auch bei sorgfältiger Prüfung nicht hat erkennen können.

Wenn Anordnungen des Bestellers oder von diesem übermittelte Leistungsverzeichnisse nicht den Vorgaben der anerkannten Regeln der Technik/Bautechnik entsprechen, ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, den Besteller hierauf hinzuweisen.

Es ist grundsätzlich Sache des Unternehmers, die Voraussetzung der Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht im Streitfall zu beweisen.

Welche Schadensbilder/Erscheinungsbilder wiesen die Teppichbodenflächen/-ebene auf?

Im Rahmen der qualitativen und quantitativen Bestandsaufnahme konnte der Nachweis erbracht werden, dass die von der Antragstellerin/Bestellerin vorgetragenen Beanstandungen und Hinweise gegenüber dem Auftragnehmer in diesem Schiedsgutachterverfahren gerechtfertigt waren und sind, weil

  1. die Teppichbodenflächen insbesondere im Bereich der Doppelbodentrassen eine Vielzahl unüblicher Hohlleger, einhergehend mit blasenartigen/beulenartigen Erhöhungen aufweisen, und zwar in unterschiedlichen Abmessungen,
  2. eine Vielzahl Teppichsockelstreifen wellig vorlagen, also keine funktionstaugliche Klebung/Arretierung zum jeweiligen Wanduntergrund hingehend aufgewiesen haben,
  3. im Flächenbereich der Elektrobodendeckel und im Bereich der Revisionsdeckel die Teppichbodenflächen eine Vielzahl Ausfransungen sowie Hohlleger aufwiesen,
  4. partiell Stückelungen innerhalb der Teppichbodenebene auf kurzen Nennmaßbereichen ermittelt worden sind, als Flickwerk,
  5. partiell die Randfugen zu den massiven Bauwerksteilen hingehend nicht funktionstauglich geschlossen worden sind, 
  6. großflächig die Einlegezeit des Klebstoffsystems überschritten wurde und somit die Klebstoffrippen/-kuppen nicht zerquetscht worden sind, einhergehend mit einer mangelhaften Klebstoffbenetzung an der Rückseite der Teppichbodenkonstruktionen, welche schadhaft wirksam geworden ist (mangelhafte Klebung = adhäsiven und kohäsives Verhalten einhergehend mit unüblichen blasenartigen Erhöhungen/Aufwölbungen innerhalb der Teppichbodenebene).
  7. Weiterhin konnte der Nachweis erbracht werden, dass innerhalb der Teppichbodenflächen/-ebene auch wechselnde Verlegerichtungen der Teppichbodenbahnen stattgefunden haben. Unübliche hell-dunkel Effekte bezogen auf die Teppichbodenpolschicht sind die Folge.
  8. Jeweils zu den Doppelbodentrassen hingehend wurden auf kurzen Nennmaßbereichen Unebenheiten/Grenzabweichungen in der Spachtelmassenschicht/Aus­gleichsmassenschicht festgestellt, und zwar mittels Richtscheit und Messkeile. Es wurden Höhenversätze bis zu 3 mm zwischen Hohlraumboden und Doppelbodentrasse ermittelt (= ungleichmäßige Höhenlage angrenzender Bauwerksteile).
  9. Winkelschienen wurden ermittelt, die zum Untergrund hingehend eine ungenügende Arretierung, also ein mangelhaftes adhäsives Verhalten aufgewiesen haben.
  10. Anschnitte des Teppichbodenbelages zu den Revisionsdeckeln hingehend wurden nicht mit einem üblichen Nahtkantenverfestiger „vorbehandelt/verleimt“.

Insgesamt gesehen kann ausgesagt und festgestellt werden, dass innerhalb der Teppichbodenebene großflächig blasenartige Erhöhungen ermittelt bzw. festgestellt worden sind, einhergehend mit Stückelungen des Teppichbodens (= Flickwerk).

Warum hat der Auftragnehmer diese hier in Rede stehenden Fußbodenschäden/Teppichbodenschäden unter Würdigung der Vereinbarung „Obsiegen/Unterliegen“ zu vertreten?

Für den Auftragnehmer war es mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt erkennbar, dass die Hohlböden/der Hohlraumboden und auch die Doppelbodentrassen nicht den Anforderungen der DIN EN 13 213 und auch nicht der DIN 12 825 entsprechen.

Aufgrund des vorgenannten Sachverhaltes galt bzw. gilt der hier in Rede stehende Untergrund nicht als „verlegereif/belegereif“ bezogen auf die bereits genannten „Höhenversätze“.

Die weiteren Schadensbilder, wie z. B. die blasenartigen Erhöhungen, Hohlleger und die Stückelungen sind aufgrund handwerklicher Fehlleistungen entstanden bzw. zurückzuführen, die der Auftragnehmer zu vertreten hat.

Hierbei handelt es sich um Fehlleistungen entsprechend den Anforderungen der VOB, Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ sowie weitere Fehlleistungen, die nicht den Vorgaben der Teppichbodenherstellerin und der Verlegewerkstoffherstellerin entsprechen.

Bereits an dieser Stelle wird auch darauf hingewiesen, dass die Fugen zwischen den Doppelbodenplatten und den Doppelbodenrahmen teilweise mit Spachtelmasse/Ausgleichsmasse gefüllt worden sind und somit die Funktionstauglichkeit nicht mehr gegeben war bzw. vorliegt.

Aufgrund der beschriebenen dokumentierten Mängel innerhalb der textilen Bodenbelagebene und bezogen auf die Doppelbodenkonstruktion (Hohlraumböden und Doppelbodentrassen) ist die Fußbodenkonstruktion mit Mängeln behaftet, die den Wert und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen und dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben und mindern.

Abschließender Hinweis

Die in diesem Fachbeitrag beschriebenen und fotodokumentarisch untermauerten Fehlleistungen entsprechen der Philosophie „Aus Fehlern anderer lernen“.

Der Verfasser dieses Fachbeitrages ist der öffentlich bestellte und vereidigte Berufssachverständige und Lehrbeauftragte Siegfried Heuer.

Die nachfolgende Bildergalerie verdeutlicht den beschriebenen Sachverhalt

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