Bei Risiken und Nebenwirkungen leben Sie wohl und kleben Sie wohl

Alles, was Recht ist

Wenn Stressbaustellen zum Verhängnis werden bezüglich Folgekosten mittelbarer und unmittelbarer Art

Vorbemerkungen zum Sachverhalt (Fotos: ganz unten )       

Es gibt ein Sprichwort: „Die Zeit ist nicht gegen uns“.

Die Zeitschiene, bezogen auf „Stressbaustellen“, ist jedoch ganz anders zu bewerten, insbesondere dann, wenn der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten derart unter Stress steht, so dass über handwerkliche Fehlleistungen und anwendungstechnische Problemstellungen auch die besten Verlegewerkstoffsysteme und auch die besten elastischen und textilen Bodenbeläge in ihrer Funktionalität, entsprechend der geschuldeten Leistung, nicht den gewünschten Erfolg bringen.

In einem besonders repräsentativen/exklusiven Verwaltungsgebäude hatte der Auftragnehmer im Auftrag des Generalunternehmers/Bestellers auf einer Grundrissfläche von über 8.000 m² elastische und textile Bodenbeläge nach entsprechenden Unterbodenvorbereitungsarbeiten zu verlegen bzw. zu kleben.

Die rechtsverbindliche/zivilrechtliche Abnahme der Bodenbelagarbeiten durch den Besteller erfolgte nicht, da die elastischen und textilen Bodenbeläge mit erheblichen, wesentlichen Mängeln behaftet waren, die den Wert und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen und dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben und mindern.

Wesentliche Mängel bedeuten, eine Abnahmeverweigerung unter Würdigung der genannten Risiken und Nebenwirkungen.

Verdammt nochmal, wie konnte so etwas passieren

Im Rahmen eines Schiedsgutachterverfahrens hat der Verfasser dieses Fachbeitrages, der Berufssachverständige und Lehrbeauftragte Siegfried Heuer, die nachfolgenden Feststellungen entsprechend den Schiedsgutachterfragen (= „Obsiegen/Unterliegen“) ermittelt:

  • Die elastischen Bodenbelagbahnen wiesen Hohlleger sowie Formveränderungen (= blasenartig) auf kurzen Nennmaßbereichen auf und eine Vielzahl Fehlschnitte sowie Fehlverschweißungen der Nahtkanten der PVC-Bodenbelagbahnen wurden ermittelt.
     
  • Die textilen Bodenbeläge wiesen mittels Klebstoff zum Untergrund hingehend ein mangelhaftes adhäsives Verhalten auf, weil

    a) die Durchlaufmenge Klebstoff, die mittels einer Klebstoffspachtelzahnung auf dem Untergrund reguliert wird, als viel zu gering einzustufen war,
    b) die Einlegezeit des Klebstoffsystems überschritten war,
  • c) die Klebstoffrippen/-kuppen (nicht zerquetscht/nicht zerstört) großflächig nachgewiesen wurden.

Besonders gravierend waren die mangelhaften Unterbodenvorbereitungsarbeiten mittels einer Spachtelmasse, die nicht einmal „blickfest“ war. Die Randfugen/Raumfugen zu den jeweiligen angrenzenden Bauwerksteilen hingehend waren durch Spachtelmassensubstanzen geschlossen, also lagen somit nicht funktionstauglich vor.

  • Die obere Estrichrandzone der Estrichkonstruktion/Lastverteilungsschicht
    (= Zementestrich) wies unübliche Weichzonen in Form von Bruchzonenverlagerungen und Sedimentationsschichten auf.
     
  • Die Gitterritzprüfung „nach Heuer“ hat den vorgenannten Sachverhalt bestätigt, ebenso auch die durchgeführte zusätzliche „Drahtbürstenbehandlung“.

 

Die Ursachenforschung/Lokalisierung nach dem Verursacherprinzip (= „Obsiegen/Unterliegen“)

Die an Ort und Stelle orientierend durchgeführten Schälwiderstandsprüfungen an 50 mm breiten Bodenbelagstreifen mit einem entsprechenden geeichten Kraftaufnehmer haben die hier in Rede stehenden Schwachzonen innerhalb der Fußbodenkonstruktion, bezogen auf die obere Estrichrandzone, die nicht funktionsfähig vorliegenden Verlegewerkstoffe und die handwerklichen Fehlleistungen bestätigt.

Besondere Anmerkung

Besonders skurril war, dass in diesem Objekt sich innerhalb der Lastverteilungsschicht / Estrichkonstruktion „hochstehende Schraubverbindungen“ befanden, die nicht entfernt, sondern wie aus der Fotodokumentation ersichtlich, auf dem Untergrund verblieben sind und mittels „Klebstoffbett“ ausgespart wurden.

Schlussresümee

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die hier in Rede stehende „Stressbaustelle“  für den Auftragnehmer erhebliche Risiken und Nebenwirkungen verursachte, weil

  • sämtliche elastische und textile Bodenbeläge entfernt werden mussten,
     
  • großflächige/intensive Unterbodenvorbereitungsarbeiten mit speziellen systembezogenen Verlegewerkstoffen erforderlich waren,
     
  • abnorme Folgekosten mittelbarer und unmittelbarer Art zu Lasten des Auftragnehmers gehen.

Handwerkliche Fehlleistungen und anwendungstechnische Problemstellungen haben die hier in Rede stehenden Fußbodenschäden verursacht.

In besonderer Weise ist zusätzlich zu bemerken, dass die im technischen Merkblatt der Verlegewerkstoffherstellerin und der Bodenbelaglieferantin vorgegebenen Richtlinien nicht berücksichtigt und auch nicht eingehalten worden sind.

Schadenersatzforderungen des Bestellers gegenüber dem Generalunternehmer und des Generalunternehmers gegenüber dem Auftragnehmer wurden bereits vertragsrechtlich eingeleitet.

Die Mängelrügen des Bestellers gegenüber den Parteien (= Generalunternehmer und Auftragnehmer) waren gerechtfertigt, weil diese hier in Rede stehenden Leistungen insgesamt gesehen nicht den allgemein anerkannten Regeln des Fachs, nicht den Anforderungen der VOB, Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ sowie nicht den Vorgaben der Verlegewerkstoffhersteller und der Bodenbelaghersteller entsprechen.

Für die grundsätzliche Frage, wer das Vorliegen eines Mangels zu beweisen hat, kommt es entscheidend auf die Abnahme an.

Vor der Abnahme ist es Sache des Unternehmers/des Auftragnehmers darzutun und zu beweisen, dass er seine Leistung einwandfrei erbracht hat.

Nach der Abnahme ist es Sache des Bestellers den Mangel darzulegen und zu beweisen.

Die Beweislast für die Mangelfreiheit bis zur Abnahme gilt auch im Rahmen einer berechtigten Verweigerung oder einem Vorbehalt.

Der Unternehmer darf sich grundsätzlich nicht ohne eigene Prüfung auf Anordnungen etc. des Bestellers verlassen, selbst wenn dieser von einem Architekten, Fachplaner oder einer sonst kompetenten Person beraten wird.

Der Unternehmer wird nur dann von seiner Mangelhaftigkeit befreit, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Anordnungen, Leistungsverzeichnisse usw. auch bei sorgfältiger Prüfung nicht hat erkennen können.

Wenn Anordnungen des Bestellers oder von diesem übermittelte Leistungsverzeichnisse nicht den Vorgaben der anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, den Besteller hierauf hinzuweisen.

Es ist grundsätzlich Sache des Unternehmers, die Voraussetzung der Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht im Streitfall zu beweisen.

Der Berufssachverständige und Lehrbeauftragte

Siegfried Heuer

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