Raumfugen/Randfugen

Raumfugen/Randfugen; Bewegungsfugen und Bauwerksfugen sowie Tagesansatzfugen

Aus der Praxis für die Praxis

Gegen die anerkannten Regeln der Bautechnik/des Fachs

Herstellung einer beheizten Industriefußbodenkonstruktion = Stahlfaserbetonbodenplatte

Vorbemerkungen

Die Bestellerin hat den Auftragnehmer beauftragt, in einer sehr großen repräsentativen Produktionshalle eine ganz spezielle Industriefußbodenkonstruktion = beheizte Lastverteilungsschicht herzustellen.

Ein unabdingbar erforderlicher Fugenplan wurde vom Generalunternehmer = Auftragnehmer nicht in der Planungsphase erstellt.

Die nachfolgende Leistung schuldete der Generalunternehmer:

  • Bodenplatten aus Beton = C 25/30 F 4 0/16,
  • inklusive Stahlfaserbewehrungen (25 cbm),
  • Flügelglätten mit Hartkorneinstreuung.

Die Produktion in dieser vorgenannten Produktionshalle konnte nicht beginnen, da diese hier in Rede stehende Industriefußbodenkonstruktion mit erheblichen Mängeln behaftet war, die den Wert und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen und den im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben und mindern.

Eine rechtsverbindliche sowie zivilrechtliche und technische Abnahme hat somit nicht stattgefunden; erhebliche Folgekosten mittelbarer und unmittelbarer Art wurden vom Besteller gegenüber dem Generalunternehmer angemeldet.

Welche Richtlinien/Merkblätter hätte der Generalunternehmer in diesem Fall beachten müssen?

  • DBV-Merkblatt = Fugenausbildung für ausgewählte Baukörper aus Beton
  • Zement-Merkblatt T 1 Industrieböden aus Beton
  • BIB-Merkblatt Betonböden für Hallenflächen, Stand Februar 2000
  • DBV-Merkblatt Industrieböden aus Beton für Frei- und Hallenflächen, Fassung November 2004
  • DBV-Merkblatt Industrieböden aus Stahlfaserbeton, Fassung Juli 2013
  • technisches Merkblatt Schnittstellenkoordination bei Flächenheizungs- und Kühlsystemen in Neubauten = Ausgabe Mai 2011 = Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen e.V., Hagen

Welcher Sachverhalt wurde an Ort und Stelle festgestellt:

  • Die jeweiligen Betonfelder, unterteilt durch Scheinfugen/Kellenschnitte wiesen Abmessungen von 10 m x 6 m auf.
  • Die Produktionshalle weist eine Abmessung von einer Länge = 100 m und einer Breite = 50 m auf.
  • Die Scheinfugen/Kellenschnitte (angeschnittene Fugen) wiesen unterschiedlich verteilt Kantenbrüche/mechanische Beschädigungen auf, obwohl noch kein offizieller Produktionsbetrieb, sondern nur der Probebetrieb lief.
  • Die vorgenannten Scheinfugen/Kellenschnitte wiesen bedingt durch Verun-reinigungen, insbesondere = „Schleifrückstände“ sehr unterschiedliche Fugentiefen (geprüft mit einem Metallspachtel und Fotometer/Metermaß) von 20 mm bis 50 mm Tiefe auf.
  • Die angeschnittenen Fugen waren nicht geradlinig zu den jeweiligen Metallstützen hingehend ausgebildet; von einer funktionsfähig ausgebildeten/einge-schnittenen Scheinfuge kann diesbezüglich nicht die Rede sein.
  • Von den vorgenannten „Sollrissfugen“ = Kellenschnitten ausgehend wurden eine Vielzahl klaffender Risse ermittelt, einhergehend mit weitergehenden „Kreuzrissen“.
  • Keine funktionsfähigen Raumfugen/Randfugen,
  • Bewegungsfugen befanden sich überhaupt nicht in dieser hier in Rede stehenden Industriefußbodenkonstruktion = Fußbodenheizungs-Bewegungsfugen. 

Die gesamte Industriefußbodenplatte (die Betonscheibe) weist Spannungsanhäufungen auf, und zwar aufgrund fehlender Bewegungsfugen und nicht funktionstauglich hergestellter Randfugen sowie Raumfugen zu den jeweiligen angrenzenden Bauwerkteilen hingehend.

Die vom Generalunternehmer bisher durchgeführten Nacherfüllungen mit einem Reaktionsharz bezogen auf Kantenbrüche erbrachten nicht den gewünschten Erfolg; eine erhebliche, unübliche Harzvolumenkonzentration (ohne Quarzsandabstreuung) war nachweisbar.

Aufgrund der Feststellungen vor Ort, wie in diesem Fachbeitrag beschrieben, entspricht die Industriefußbodenkonstruktion insgesamt gesehen nicht den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik und den mehrfach genannten Merkblättern und Richtlinien für derartige Leistungen.

Die Prüfung = Ebenheitsmessung entsprechend der DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe April 2013 ergab den Nachweis, dass vor allem auf kurzen Nennmaßbereichen erhebliche Erhöhungen sowie Vertiefungen ermittelt worden sind (Grenzabweichung für Maße = Grenzwert für die Längenmaßabweichung).

Fazit:

Die Nutzungs- und Gebrauchstauglichkeit sowie die Werterhaltung und Wertschöpfung der hier in Rede stehenden Industriefußbodenkonstruktion (= beheizte Lastverteilungsschicht) in der Produktionshalle/Werkhalle des Bestellers ist stark beeinträchtigt aufgrund erheblicher Schadensbilder.

Ob und inwieweit Erfüllungen/Nacherfüllungen den gewünschten Erfolg bringen, kann nur über entsprechende Musterflächen getestet werden.

Im Rahmen der Erfüllungen/Nacherfüllungen sind zu allen angrenzenden Bauwerksteilen hingehend, wie Pfeiler, Stützen, Wände zunächst einmal funktionstaugliche Raumfugen/Randfugen herzustellen bzw. auszubilden.

Weiterhin sind in einer Planungsphase über einen entsprechenden Fugenplan funkti-onstaugliche Fußbodenheizungsbewegungsfugen herzustellen bzw. auszubilden, und zwar unter Würdigung der Abmessung und weitergehenden Belastungen der hier in Rede stehenden Produktionshalle/Werkhalle.

Ob und inwieweit die vorgenannten Nacherfüllungen überhaupt möglich sind, ist fraglich, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Warmwasserheizungsrohre nicht mit Schutzsystemen/Schutzrohren versehen sind und somit die Ausbildung funktionstauglicher Bewegungsfugen ohne Beschädigung der Heizrohrsysteme nicht möglich ist.

Nochmaliger besonderer abschließender Hinweis

Die Erstellung des Fugenplanes ist Aufgabe des Planers.

Im Fugenplan sind insbesondere die Einbauteile in der Betonplatte, wie z. B. Grubenfundamente, Einzelfundamente, Schächte, Ablaufrinnen und aufgehende Bauteile zu berücksichtigen (in diesem Fall in besonderer Weise auch die Warmwasserfußbodenheizungssysteme).

Es sind quadratische oder gedrungene rechteckige Felder anzustreben, das Längen-/ Breitenverhältnis des Plattenfeldes soll 1,5 : 1 nicht überschreiten.

Wichtige Einflussgrößen für den Fugenabstand sind:

Plattendicke

Temperatur und Trocknungsbedingungen

vorhandene Einbauteile in der Platte

Gleitmöglichkeiten der Platte auf der Unterkonstruktion

Statische Auflast- und wechselnde Lasten (Nutzlasten, statische und dynamische Einwirkungen)

Besondere Anforderung bei der Nutzung

In der Praxis hat sich ein Fugenabstand bis zum 40-fachen der Plattendicke bewährt.

Neben heizungstechnischen Anforderungen sind bei der Planung von beheizten Industrieböden weitere Sachverhalte zu würdigen:

Verwendung von sauerstoffdichten Heizungsrohren aus hochdruckvernetzten Polyethylen

Einbohrtiefen für nachträgliche Befestigung etc. festlegen.

In dem bereits mehrfach genannten Zusammenhang mit dem Planen und Bemessen thermisch aktiver Fußbodenflächen ist der Fugenplan von besonderer Wichtigkeit.

Fugen dienen zur Aufnahme von Längenänderungen z. B. Schwinden aus Temperaturänderungen und sie vermindern die Rissbildung.

Die Anordnung und die Teilausbildung von Bewegungs-, Raum- und Scheinfugen sind bereits bei der Planung zu beachten.

Die Lage, die Abmessungen und die Ausführungsdetails sind in einem Fugenplan nachvollziehbar darzustellen.

In diesem Fall hat der Generalunternehmer dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

Der Generalunternehmer schuldet dem Besteller ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk.

Es ist grundsätzlich Sache des Unternehmers, die Voraussetzung der Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht im Streitfall zu beweisen.

Der Generalunternehmer schuldet also nicht nur die Abarbeitung der Leistungsbeschreibung (des Bausolls) unter Würdigung der vorgegebenen Bauumstände und des beschriebenen Bauinhaltes, sondern ein funktionstaugliches Werk und somit den funktionellen Leistungserfolg.

Die nachfolgende technische Fotodokumentation soll den in diesem Fachbeitrag beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen.

klaffende Risse von den nicht funktionstauglichen Scheinfugen ausgehend.

nicht ordnungsgemäß geschnittene Scheinfuge innerhalb der Industriebetonebene.

zeigt die Überprüfung der nicht funktionstauglich ausgebildeten Scheinfugen.

Querschnitt der beheizten Industriebetonebene = Bohrkernentnahme.

Der Verfasser dieses Fachbeitrages ist der öffentlich bestellte und vereidigte Berufssachverständige und Lehrbeauftragte Siegfried Heuer M.I.E., ISH-Institut Bau- und Fußbodentechnik, Koblenz

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