Nahtkantenbearbeitung/Teppichfliesen/Teppichplatten und Teppich-Bahnenware

– Aus Fehlern anderer lernen –

In einem selbstständigen gerichtlichen Beweissicherungsverfahren wurde der Berufssachverständige und Lehrbeauftragte Siegfried Heuer als Verfasser dieses Fachbeitrages von dem zuständigem Landgericht beauftragt, in einem sehr großen Verwaltungsgebäude (neu erstellt) die Teppichbodenarbeiten entsprechend dem Beweisbeschluss des Landgerichts zu überprüfen und über den vorgefundenen Sachverhalt ein gerichtliches Beweissicherungsgutachten zu erstatten.

Problemstellung Nahtkantenbearbeitung/Teppichbodenfliesen/Teppichbo-denplatten und Teppichbodenbahnenware/Polschichtschlingenqualität

Anlässlich des Gutachtertermins im Beisein von Beauftragten der beteiligten Parteien und deren Prozessbevollmächtigten wurden die Teppichbodenflächen hinsichtlich der nachfolgenden Schadensbilder/Erscheinungsbilder beschrieben und entsprechend dem gerichtlichen Beweisbeschluss überprüft.

Die Teppichbodenflächen, bestehend aus Teppichbodenfliesen/Teppichbodenplatten und Teppichbodenbahnenware waren frei zugänglich, da die Räumlichkeiten sowie die Flurbereiche/Foyers noch nicht genutzt worden sind.

Bezüglich des hier in Rede stehenden Verwaltungsgebäudes handelt es sich um ein sehr repräsentatives exklusives Gebäude/Projekt.

Schon bei der üblichen Baubegehung in aufrecht stehender und/oder in gebückter Haltung konnte bereits der Nachweis erbracht werden, dass das Gesamtbild der Teppichbodenflächen hinsichtlich des Geltungsnutzens erheblich beeinträchtigt war bzw. ist und zusätzlich irreparable offene Nahtkanten einhergehend mit Abflusungen konstatiert wurden.

Die vorgenannten Teppichbodenflächen/die Teppichbodenebene war mit erheblichen Mängeln behaftet, die den Wert und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen und den im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben und mindern.

Bereits an dieser Stelle kann ausgesagt und festgestellt werden, dass die Teppichbodenarbeiten nicht den allgemein anerkannten Regeln des Fachs, nicht dem Stand der Technik, nicht den Anforderungen der VOB Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ und nicht den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entsprechen.

Entsprachen die Nahtkantenbearbeitungen der Teppichfliesen/Teppichbo-denplatten und der Teppichbodenbahnenware den Vorgaben (= bindende Vorgaben) der Teppichbodenherstellerin?

Die textiltechnologischen und textilmechanischen Untersuchungen an Ort und Stelle
(= exemplarisch bzw. repräsentativ) erbrachten den Nachweis, dass:

die Nahtkanten Fugen aufwiesen, einhergehend mit „abflusendem Polmaterial“
(= Schlingenqualität), 

  1. Erhöhungen und Vertiefungen der Nahtkanten der nebeneinander liegenden Teppichbodenfliesen/Teppichbodenbahnen auf kurzen Nennmaßbereichen, vorhanden waren, 
  2. farbliche Abweichungen im Nahtkantenbereich bedingt durch unterschiedliche Schnittkanten (nicht in der jeweiligen Noppengasse geschnitten), sichtbar waren, 
  3. erheblich abflusende Teilflächen des Teppichbodenpolmaterials jeweils im Nahtkantenbereich, aber auch zu den angrenzenden Bauwerksteilen hingehend konstatiert werden konnten.

Besondere Anmerkung

Zu den vorgenannten handwerklichen Fehlleistungen und anwendungstechnischen Problemstellungen, bezogen auf die Bearbeitung der Teppichbodenfliesen/Teppichbodenplatten und Teppichbodenbahnenware, wurden weiterhin blasenartige Erhöhungen sowie Hohlleger innerhalb der Teppichbodenebene festgestellt bzw. nachgewiesen.

Untersuchungen haben ergeben, dass einerseits die Durchlaufmenge Klebstoff für diesen Teppichbodenrücken als viel zu gering – und andererseits aber auch die Einlegezeit des Klebstoffs überschritten worden ist (hochstehende, nicht zerquetschte Klebstoffrippen/Klebstoffkuppen wurden nachgewiesen.

Besonderer Hinweis

Die Überprüfung der Nahtkanten/der Schnittkanten der Teppichbodenfliesen/Teppichbodenplatten (innerhalb der jeweiligen Räumlichkeiten sowie Flurbereiche und Foyers) sowie die Teppichbodenbahnen haben ergeben, dass überwiegend Polreihen „angeschnitten“ worden sind und dass die Nahtschnitte nicht geradlinig und nicht innerhalb einer Noppengasse erfolgten.

Keinesfalls wurde in diesem Fall die Nachkantenbearbeitung/Schnittkantenbearbeitung in dieser Teppichbodenkonstruktion mit einem vom Teppichbodenhersteller bindend vorgegebenen Nahtschneider durchgeführt bzw. vorgenommen.

Besondere Anmerkung

Der Teppichbodenhersteller schreibt z. B. in seinen technischen Verlegeanleitungen:

„Bei dieser Teppichbodenqualität müssen die Nähte mit dem Nahtschneider, Typ „Acryl“, bearbeitet werden.“

Es kann bestätigt werden und richtig ist, dass mit diesem speziellen Nahtschneider, bezogen auf die hier in Rede stehende besondere Teppichbodenkonstruktion nur in der Florgasse die Nahtkanten geschnitten werden.

Leichte Verzüge im Nahtkantenbereich werden üblicherweise mit einem Knie- oder Doppelkopfspanner egalisiert, also ausgeglichen.

Fazit

Da es sich in diesem Fall um wesentliche Mängel handelt, bezüglich der hier in Rede stehenden Teppichbodenarbeiten, war die Abnahmeverweigerung des Bestellers gegenüber dem Auftragnehmer rechtsverbindlich/zivilrechtlich vom zuständigen Landgericht bestätigt worden.

Fakt ist, dass der Auftragnehmer die, bezogen auf eine Sonderkonstruktion des hier in Rede stehenden Teppichbodens, vom Teppichbodenhersteller bindend vorgegebenen Anweisungen (= Verlegeanleitung) einhalten, also berücksichtigen muss.

Die Bestellerin hat also in diesem Fall den Beweis angetreten, dass erhebliche handwerkliche Fehlleistungen und anwendungstechnische Problemstellungen vorliegen, die der Auftragnehmer im Rahmen seiner Erfüllung beseitigen muss.

Alle Folgekosten mittelbarer oder unmittelbarer Art gehen somit zu Lasten des Auftragnehmers.

Die nachfolgende technische Fotodokumentation soll den in diesem Fachbeitrag beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen.

 

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