Kunstharzbeschichtungssysteme

Kunstharzbeschichtungssysteme und/oder Hartstoffverschleißschichten in fleischverarbeitenden Betrieben und/oder in der Lebensmittellagerhaltung

Betriebsunterbrechungen; Anforderungsprofile und Qualitätskontrolle

Aus Fehlern lernen und zukunftsorientierend Folgekosten mittelbarer und unmittelbarer Art verhindern.

Der Besteller = der Auftraggeber hat eine Auftragnehmerfirma beauftragt, in einem fleischverarbeitenden Betrieb in einer Größenordnung von ca. 10.000 m2 eine Industriefußbodenkonstruktion, bestehend aus einer Hartstoffverschleißschicht und in weiteren Flächenbereichen ein Kunstharzbeschichtungssystem für diesen hier in Rede stehenden Verwendungsbereich herzustellen.

Es erfolgte eine rechtsverbindliche, zivilrechtliche Abnahme der hier in Rede stehenden Leistungen ohne Mängelrüge/Beanstandung.

Die Bestellerin rügte jedoch nach einer Nutzungsdauer von ca. 3 Monaten gegenüber dem Auftragnehmer:

a) Die Hartstoffverschleißschicht sei weich und wies eine Vielzahl Risse auf,
b) die Kunstharzbeschichtungsebene wies ebenfalls Risse/Rissmarkierungen und auch eine mangelhafte/ungenügende Rutschhemmstufe/Rutschfestigkeit auf.

Die vorgenannte Beanstandung/Mängelrüge erfolgte im Rahmen der Umkehr der Beweislast.

Bereits an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass die Beweislast für die Mangelfreiheit bis zur Abnahme gilt, auch im Rahmen einer berechtigten Verweigerung und/oder eines Vorbehaltes.

Der Besteller muss in diesem Fall nur substantiiert, d. h. detailliert behaupten, dass in diesem Fall ein Mangel vorliegt.

Der Unternehmer darf sich grundsätzlich nicht ohne eigene Prüfung auf Anordnungen etc. des Bestellers verlassen, selbst wenn dieser von einem Architekten, Fachplaner oder einer sonst kompetenten Person beraten wird.

Der Unternehmer wird nur dann von seiner Mangelhaftigkeit befreit, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Anordnungen, Leistungsverzeichnisse usw. auch bei sorgfältiger Prüfung nicht hat erkennen können (mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt).

Wenn Anordnungen des Bestellers (Auftraggeber) oder von diesem übermittelte Leistungsverzeichnisse nicht den Vorgaben der anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, den Besteller hierauf hinzuweisen.

Es ist grundsätzlich Sache des Unternehmers, die Voraussetzungen der Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht im Streitfall zu beweisen.

Somit ergibt sich bereits an dieser Stelle die Schlussfolgerung, dass es richtig ist, dass der Auftragnehmer bezüglich seines Gewerkes die notwendigen Sachkenntnisse besitzen muss, um den Auftraggeber/Bauherrn (Besteller) sachkundig beraten zu können.

Insbesondere obliegt dem Auftragnehmer auch die Hinweis-, Sorgfalts- und Prüfungspflicht am Untergrund sowie am Material.

Die vorgenannten Prüfungspflichten müssen mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt durchgeführt werden.

Der Auftragnehmer schuldet nicht nur die Abarbeitung der Leistungsbeschreibung (des Bausolls) unter Würdigung der vorgegebenen Bauumstände und des beschriebenen Bauinhaltes, sondern ein funktionstaugliches Werk und somit den funktionalen Leistungserfolg.

Im Rahmen der getroffenen Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer also ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk.

Warum waren die Beanstandungen = Gewährleistungsansprüche des Bestellers gegenüber dem Auftragnehmer gerechtfertigt?

In dieser hier in Rede stehenden Produktionsstätte und in den weiteren angrenzenden Lebensmittellagern war die Industriefußbodenkonstruktion mit erheblichen Mängeln behaftet, die den Wert und die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen und dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben und mindern.

In diesem Fall haben sich die Beauftragten der beteiligten Parteien zu einem Schiedsverfahren entschieden (im Rahmen einer außergerichtlichen Beweissicherung).

Innerhalb dieser hier in Rede stehenden Industriefußbodenkonstruktion wurden die nachfolgenden wesentlichen Mängel ermittelt bzw. nachgewiesen:

  1. Im Flächenbereich der Hauptfahrzonen/Hauptlaufzonen war die Kunstharzbeschichtungsebene als sehr rutschig/glitschig einzustufen, es bestand eine akute Unfallgefahr.
     
  2. Die Kunstharzbeschichtungsebene wies eine Vielzahl Abplatzungen; Hohlleger und extreme Beschädigungen auf.
     
  3. Weiterhin konnte der Nachweis erbracht werden, dass auf kurzen Nennmaß-bereichen unübliche Wasserpfützenbildungen ermittelt wurden, also Erhöhungen und Vertiefungen des Untergrundes vorlagen (ein funktionsfähiges Gefälle zu den jeweiligen Bodenabläufen war nicht feststellbar). 

Innerhalb der Hartstoffverschleißschicht wurden die nachfolgenden wesentlichen Mängel ermittelt:

  1. Deutliche sichtbare Netzrisse in Abmessungen bis zu 0,9 mm Breite,
  2. Sedimentationsschichten/Weichzonen innerhalb der Hartstoffverschleißschicht.

An Ort und Stelle wurden Bohrkerne mit 150 mm Durchmesser für die Ursachenforschung und Lokalisierung der hier in Rede stehenden Risse entnommen sowie auch Bohrkerne für Bestätigungsprüfungen des Betonuntergrundes, der Ausgleichsschicht und in besonderer Weise auch der Hartstoffverschleißschicht.

Die an Ort und Stelle im Beisein von Beauftragten der beteiligten Parteien durchgeführten Oberflächenhaftzugprüfungen erfolgten entsprechend dem BEB Merkblatt, Stand November 2004 = Oberflächenzug- und Haftzugfestigkeit von Fußböden. Die vorgenannte Oberflächenzugfestigkeit ist ein Kennwert für die Zugfestigkeit einer Fußbodenoberfläche.

In diesem Fall wurden die Hartstoffverschleißschicht und auch die bereits genannte Beschichtungsebene in diese Versuchsdurchführungen einbezogen.

In Fachkreisen ist bekannt, dass bei Verwendung von Kunstharzestrich und/oder Kunstharzsystemen nach DIN 18 560, Teil 3 oder 7, der tragende Untergrund eine Oberflächenzugfestigkeit von mindestens 1,0 N/mm2 und bei Befahrsystemen, wie in diesem Fall, eine Oberflächenzugfestigkeit von 1,5 N/mm2 aufweisen muss.

Die Norm und die Merkblätter beschreiben ein Verfahren zur Bestimmung der Haftzugfestigkeit u. a. von Instandsetzungsprodukten und –systemen, die auf genormten Referenzprüfkörpern nach EN 1766 hergestellt worden sind.

Das Prüfverfahren erfolgt im direkten Abreißversuch durch Verwendung eines Stempels, der auf den jeweiligen Untergrund aufgeklebt wird.

Die Prüfung der Oberflächenzugfestigkeit erfolgte u. a. auch unter Würdigung der DIN 1048, Teil 2 sowie in Anlehnung an die DIN 13 392 unter Würdigung und Beachtung der EN 1542.

Die Oberflächenhaftzugwerte waren insgesamt gesehen, bezogen auf die Kunstharzbeschichtungsebene aber auch hinsichtlich der Hartstoffverschleißschicht als mangelhaft einzustufen, es wurden Werte von jeweils < 1,0 N/mm2 ermittelt (Stempelfläche 1.963, 5 mm2).

Die durchgeführten Gitterritzprüfungen „nach Heuer“ waren ebenfalls als mangelhaft einzustufen (bezogen auf die Hartstoffverschleißschicht). Es wurde ein Wert von G 4 ermittelt, dies bedeutet, dass erhebliche Ritzspurtiefen und Ausbrüche des Prüfuntergrundes an der Oberfläche im Bereich der Ritzspurkreuzungen sichtbar waren. Zusätzliche Maßnahmen sind aufgrund der Prüfwerte unabdingbar erforderlich.

Die Hartstoffverschleißschicht entsprach nicht den allgemein anerkannten Regeln des Fachs unter Würdigung der DIN 18 560 „Estriche im Bauwesen“.

Auch die Biegezugfestigkeit/Bruchlast der Hartstoffverschleißschicht war und ist als mangelhaft einzustufen (die DIN 18 560, Teil 7 wurde in die Beurteilung einbezogen).

Auf die durchgehenden Risse bis in die Betonschicht, teilweise auch in der Ausgleichsschicht des Untergrundes wird an dieser Stelle noch einmal hingewiesen.

Die Gleitreibung/Rutschhemmung der Kunstharzbeschichtungsebene

In diesem Zusammenhang verweist der Unterzeichner zunächst einmal auf die DIN EN 1339 = Gleit- und Rutschwiderstand.

Die Anforderung an einen ausreichenden Gleit- und Rutschwiderstand hat ihren Ursprung in dem von der europäischen Kommission formulierten Schutzniveaus für die Nutzer von Bodenbelägen.

In diesem Zusammenhang wird noch auf die Richtlinie BGI/GUV-I 8687 = DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Januar 2011 hingewiesen.

Hier heißt es bezüglich Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen u. a. wie folgt:

Die Arbeitsstättenverordnung fordert, dass Fußböden u. a. rutschhemmend ausgeführt sein müssen.

Die Arbeitsstättenregel ASRA 1.5 = „Fußböden“ konkretisiert diese Forderung und verweist dabei auf die Gefährdungsbeurteilung.

Die vorgenannte Information dient zur Bewertung der Rutschgefahr unter betrieblichen Bedingungen durch Prüfung der Rutschhemmung.

Besondere Anmerkungen

Durch Messungen von Gleitreibungskoeffizienten kann grundsätzlich keine Einstufung der Bodenbeläge in Rutschhemmklassen der BGR/GUV-R 181 erfolgen.

Die Eignung eines Bodenbelages oder in diesem Fall einer Kunstharzbeschichtungsebene kann nur über die Prüfung mit der „Schiefen Ebene“ nach DIN 51 130 bewertet werden.

Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlagen sind:

Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV/GUV-V A1) in Verbindung mit dem Arbeitsschutzgesetz:

„§ 3 Der Unternehmer hat durch eine Beurteilung der für die Versicherten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen entsprechend zu ermitteln, welche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren erforderlich sind.

Der Unternehmer hat Gefährdungsbeurteilungen insbesondere dann zu überprüfen, wenn sich die betrieblichen Gegeben­heiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verändert haben.“

„Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr“ (BGR/GUV-R 181) in Verbindung mit der Arbeitsstättenverordnung (§ 3 und Anhang 1.5, Nr. 2):

„Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitsstätten den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhanges entsprechend so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen

… die Fußböden der Räume müssen rutschhemmend sein.“

Tabelle Bewertungskonzept der Rutschgefahr

            

                                                – Quelle: Fachzeitschrift Objekt 8/12 –

Die an Ort und Stelle durchgeführten Gleitreibungsprüfungen mit dem Prüfgerät „GMG 200“ ergaben bezogen auf den Nassbereich und Trockenbereich jeweils Werte von
< 0,45 µ (= nicht schritt- und trittsicher).

Aufgrund der insgesamt gesehenen erheblichen, wesentlichen Mängel innerhalb der Hartstoffverschleißschicht aber auch innerhalb der Kunstharzbeschichtungsebene sind umfangreiche Fußbodensanierungsmaßnahmen nach dem Verursacherprinzip durch den Auftragnehmer durchzuführen bzw. vorzunehmen.

Hierbei ist zu beachten:

  • Die Fußbodenkonstruktion muss wasserundurchlässig und leicht zu reinigen sein,
     
  • die Gleitreibung/die Rutschfestigkeit muss als besonders schrittsicher/trittsicher gegeben sein,
     
  • der Oberflächenschutz und die gesamte Fußbodenkonstruktion muss monolithisch hergestellt werden, bezüglich der bereits mehrfach genannten Funktionalität/Funktionstauglichkeit.

Die nachfolgende technische Fotodokumentation soll den in diesem Fachbeitrag beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen:

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