Kommentar Dr. Dinglreiter

Herr Heuer hat in der Objekt 12/08 dankenswerter Weise einen Fall besprochen, in dem – wenn ich das richtig verstanden habe – ein Parkett trotz normaler Pflege verschmutzte und der Parkettleger trotz Übergabe einer Reinigungs-und Pflegeanleitung für einen Kostenvorschuss auf die Mängelbeseitigung haftete. Als Ursache kamen in Betracht: (1) eine ungenügende Verarbeitung seitens des Herstellers oder (2) eine Vernachlässigung des vom Parkettlegers zu gewährleistenden Schutzes des Parkettbodens.
 
Herr Heuer stellt am Ende des Beitrags die Frage, wie sich der Verleger/der Parkettlegers in Zukunft verhalten soll und welche besonderen Hinweise oder Gewährleistungsausschlüsse gegebenenfalls im Angebot integriert werden müssen?
 
Ich will zu der Frage im Rahmen meiner Möglichkeiten gerne versuchen einen Beitrag zu leisten. Ein Haftungsausschluss im Angebot oder ein entsprechender vorformulierter Hinweis dürfte in einem Fall wie dem obigen problematisch sein. Hier ist wohl eine sogenannte Kardinalpflicht (nämlich die mangelfreie Leistungserbringung) betroffen, hinsichtlich derer Haftungsausschlüsse in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich sind. Was soll der Verleger/Parkettleger also tun?
 
Nach meiner Meinung befindet sich der Handwerker (betroffen sind ja nicht nur Parkettleger) nach aktueller Gesetzeslage in einer für ihn vor Gericht nicht lösbaren oder zumindest extrem riskanten Problemsituation. Die Situation ist nun zusätzlich verschärft durch das in dieser Zeitschrift ebenfalls von Herrn Heuer besprochene Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli vergangenen Jahres, wonach der Handwerker von seinem Lieferanten im Rahmen der üblichen Kaufrechtsgewährleistung nur Ersatzlieferung verlangen kann – dies gilt auch, wenn das Material schon verbaut wurde. Kosten für die Neuverlegung kann der Handwerker dagegen nur bei Verschulden seines Lieferanten verlangen. Bezieht der Handwerker sein Material über den Großhandel, scheidet ein Verschulden des Großhändlers als Lieferanten üblicherweise aus. Architekten, Hersteller  und Lieferanten können sich versichern, für den Handwerker ist mir im Bereich des hier betroffenen sogenannten Erfüllungsschadens derzeit keine Versicherungsmöglichkeit bekannt. Letztlich kann der Handwerker über Jahrzehnte alles richtig machen, ein Unternehmen aufbauen und am Markt positionieren, bis zu dem Tag des Auftretens eines vom Handwerker nicht zu vertretende Produktmangels, der bei entsprechender Dimension die Existenz seines Unternehmens bedrohen kann.
 
Das, was der Verleger/Parkettleger tun kann, ist sich mit anderen Beteiligten gegen das Problem zu verbünden und es gemeinsam zu lösen. Dies muss nicht auf gesetzgeberischer Ebene geschehen, dies kann in einem Bündnis über seine Interessenvertretungen mit dem Ziel geschehen, zum Beispiel entsprechenden Versicherungsschutz zu erlangen. Der größte Fehler wäre nach meiner Auffassung in dieser Situation, Großhandel oder Hersteller als Gegner zu sehen und hier eine (unnötige und unproduktive) Front aufzubauen. Von überragender Wichtigkeit ist es für den Handwerker meiner Ansicht nach, Handel und Industrie als Partner und Verbündete gegen das Problem zu gewinnen. Letztlich muss es ja auch in deren Interesse liegen, erfolgreiche und liquide Kunden zu haben. Die Kooperation zwischen Handwerk, Industrie und Großhandel muss also auf eine neue Ebene gebracht werden. Die Handwerker würden meiner Ansicht nach dann am besten fahren, wenn große Betriebe auch Verantwortung für die Probleme kleinerer Unternehmen übernehmen würden und umgekehrt.
 
Der obige Fall wäre aus meiner Sicht nur in enger Kooperation mit dem Hersteller lösbar gewesen. Es spricht einiges dafür, dass – nach der Beschreibung des Sachverhaltes zu urteilen – hier die Ursache entweder im Produkt oder in mangelhafter Produktschulung zu suchen ist (siehe hierzu auch den treffenden Beitrag von Herrn Grotjohann im selben Heft, Objekt 12/08, Seite 88 ff.).
 
Ich weiß nicht, ob der Hersteller hier in den Fall einbezogen wurde. Wenn ja, müsste man hier sicher einige zusätzliche Fragen stellen. Grundsätzlich kann man sagen: Wie sich ein Partner im Kleinen verhält, so verhält er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Großen. Ich kenne viele Unternehmen, bei denen ich Vertrauen habe, dass sie sich auch in Krisenzeiten als Partner bewähren. An diesen „kleinen“ Fällen wie dem von Herrn Heuer geschilderten kann der Handwerker seine Partner „prüfen“ und gegebenenfalls seine Konsequenzen ziehen. Letztlich kann es hier und da auch eine Art „Versicherung“ sein, etwas mehr zu zahlen und dafür in ein Netzwerk von Partnern integriert zu sein, die im Konflikt loyal und verlässlich sind und gerichtliche Auseinandersetzungen – wenn es irgendwie vertretbar ist – vermeiden.
 
Vielleicht macht es Sinn, noch an eine der wichtigsten Säulen unserer Wirtschaftsordnung zu erinnern: die so genannte Privatautonomie. Dies bedeutet, dass Problemlösungen im Wege der Vertrags-und Systemgestaltung möglich sind, ohne dass der Staat sich hier gängelnd einmischen darf. Man kann also jederzeit anstelle eines neuen Gesetzes eine vertragliche Lösung schaffen, zum Beispiel eine entsprechende Haftpflichtversicherung in der Schnittstelle zwischen Lieferant und Handwerker.
 
Sicher ist dies keine kurzfristige und auch keine einfache Lösung. Aber im Wege der Vertrags- und Systemgestaltung wird ein Problem zumindest lösbar, das ich im Wege des Rechtsstreits derzeit für nicht lösbar halte. Auf der anderen Seite besteht das an Herrn Heuers Fall  verdeutlichte Problem des Handwerks vielleicht schon immer, es hat sich bis dato nur niemand wirklich an seine Lösung gemacht. Zeit wird‘s also.
 
Dr. Marcus Dinglreiter
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