„Sichelartige Eindrücke/Einkerbungen“ auf der Oberfläche einer Synthesekautschuk-Bodenbelagebene in einem großen Schulzentrum
Materialmangel oder unübliche Belastungen?
Sachverhalt:
In einem größeren Projekt „Schulzentrum“ hat der Auftragnehmer auf eine Gussasphaltestrichkonstruktion nach entsprechenden Unterbodenvorbereitungsarbeiten Synthesekautschuk-Bodenbeläge, 2 mm dick in Bahnen mit einem Spezialklebstoff vollflächig verlegt bzw. geklebt.
Es erfolgte eine rechtsverbindliche/zivilrechtliche Abnahme durch die Bestellerin der hier in Rede stehenden Leistungen.
Relativ kurzfristig hat die Bestellerin gegenüber dem Auftragnehmer Mängelrüge erteilt.
Gerügt wurde, dass die Synthesekautschuk-Bodenbelagebene auf kurzen Nennmaßbereichen unübliche Eindrücke/Beschädigungen aufweist
Die Bestellerin und auch der Auftragnehmer haben sich dementsprechend für ein außergerichtliches Beweissicherungsgutachten geeinigt und es erfolgte somit ein Gutachtertermin im Beisein von Beauftragten der beteiligten Parteien.
War die Mängelrüge des Bestellers gegenüber dem Auftragnehmer gerechtfertigt?
Handelt es sich um Gebrauchsspuren/Nutzungsspuren und/oder um Beschädigungen, die der Auftragnehmer zu vertreten hat?
Je nach Lichtreflexion und Lichteinfall in gebückter aber auch in aufrecht stehender Haltung wiesen die Synthesekautschuk-Bodenbeläge im Bereich der Bestuhlung/Stuhlbelastungen die nachfolgenden Schadensbilder auf:
Vor allem in den hinteren Flächenbereichen der jeweiligen Klassenräume wies der Synthesekautschuk-Bodenbelag „sichelartige Eindrücke/Vertiefungen“ auf
in den vorgenannten Flächenbereichen wiesen die Bodenbeläge, also der Synthesekautschuk-Bodenbelag, „Hammerschlageffekt“ ähnliche Strukturen auf
(überwiegend jedoch sichelartige Vertiefungen/Eindrücke auf kurzen Nennmaßbereichen),
in den vorgenannten Flächenbereichen wiesen die Bodenbeläge, also der Synthesekautschuk-Bodenbelag, „Hammerschlageffekt“ ähnliche Strukturen auf
(überwiegend jedoch sichelartige Vertiefungen/Eindrücke auf kurzen Nennmaßbereichen),
das Gesamtbild der Synthesekautschuk-Bodenbelagebene ist aufgrund der vorgenannten Schadensbilder/Erscheinungsbilder bezüglich des Geltungsnutzens erheblich beeinträchtigt,
weiterhin befanden sich im Bereich der Vertiefungen/Eindrücke auch Schmutzansammlungen.
Besonderer Hinweis
Die vorgenannten „sichelartigen Eindrücke“ auf der Oberfläche des Bodenbelages waren auch sehr deutlich fühlbar.
Versuchsdurchführungen an Ort und Stelle
Materialspezifische Untersuchungen im ISH-Prüfinstitut Bau- und Fußbodentechnik, Koblenz
In den jeweiligen Klassenräumen erfolgten stichprobenartig „Stuhl-Kippel-Versuche“ mittels der hier in Rede stehenden Bestuhlung auf der Oberfläche der bereits mehrfach genannten Synthesekautschuk-Bodenbelagebene.
Die vorgenannte Bestuhlung wies einerseits Filzgleiter auf und andererseits wurden in diese Versuchsdurchführungen auch Stühle mit so genannten „Gelenkgleitern“ einbezogen.
Im Rahmen dieser orientierenden, jedoch umfangreichen Versuchsdurchführungen konnte festgestellt werden, dass Eindrücke innerhalb des Synthesekautschuk-Bodenbelages sichtbar waren, und zwar die mit den vorgenannten Filzgleitern ausgerüstete Bestuhlung, aber auch die mit den verwendeten „Gelenkgleitern“ ausgerüstete Bestuhlung.
Es konnte bestätigt werden, dass ab ca. 60° Neigung der Bestuhlung (durch kippeln) intensivere Eindrücke entstanden sind bzw. entstehen, im Vergleich zu der üblichen Stuhlbelastung.
Eine derartige Position ist durch übliches Kippeln der Stühle jedoch nicht zu erzielen, da der Stuhl bei 60° Neigung „umkippt“.
Bezogen auf die rückseitige Wandkonstruktion und/oder der Schultische ist eine derartige > 60° Neigung der Bestuhlung bezüglich der vorgenannten „Kippelsituation“ jedoch möglich.
Liegen handwerkliche Fehlleistungen des Auftragnehmers vor oder eignen sich die Verlegewerkstoffe für derartige Bodenbelagarbeiten nicht?
Im Beisein von Beauftragten der beteiligten Parteien wurden Bodenbelagproben stichprobenartig im Bereich der hier in Rede stehenden „sichelartigen Verformungen“ vom Untergrund entfernt, also hochgenommen.
An der Rückseite des Synthesekautschuk-Bodenbelages und innerhalb der Verlegewerkstoffsysteme wurden keine Eindrücke durch schrägwirkende Schubbelastungen von Stühlen festgestellt (durch das bereits mehrfach genannte „Kippeln“).
Der Klebstoffauftrag auf der Oberfläche der Spachtelmassenschicht erfolgte sach- und fachgerecht bezogen auf die Durchlaufmenge Klebstoff. Die Klebstoffkuppen/Klebstoffriefen waren in sich völlig zerquetscht. Klebstoffnester und/oder zerquetschte Druckstellen innerhalb des Klebstoffbettes waren nicht feststellbar.
Ist der Synthesekautschuk-Bodenbelag eventuell mangelhaft?
Die Muster/Proben der bereits verlegten Synthesekautschuk-Bodenbelagbahnen und der noch nicht verlegten Bodenbelagproben (aus der gleichen Charge/Lieferung) wurden materialspezifisch überprüft.
Bezüglich der Härte „Shore A Härte“ erfüllen die Bodenbelagmuster die allgemeinen Anforderungen gemäß EN 1816 „Anforderungsprofil > 75 Shore A“.
Hinsichtlich des Resteindruckverhaltens bezüglich Eindrücke/Wiedererholbarkeit erfüllen die hier in Rede stehenden Bodenbelagproben die allgemeinen Anforderungen gemäß EN 18 16 „Anforderungsprofil < 0,10 mm“.
Aufgrund der vorgenannten Prüfergebnisse entspricht der überprüfte Synthesekautschuk-Bodenbelag den allgemein anerkannten Regeln und Anforderungsprofilen der EN 430 und EN 433 sowie den Vorgaben/technischen Merkmalen der Bodenbelagherstellerin/Bodenbelaglieferantin.
Im ISH Institut für Bau- und Fußbodentechnik, Koblenz erfolgten weitere Praxisversuche mit den hier in Rede stehenden Bodenbelagproben, bezüglich der „Kippel-Beanspruchung/Kipp-Beanspruchung“.
Eine Testperson mit ca. 51 kg hat die Bodenbelagsproben / die Muster mit einem üblichen Sessel eine Stunde in „gekippter Haltung“ belastet.
Aufgrund von Praxiserfahrungen und der ehemaligen Richtlinien zur Produktdeklaration elastischer Bodenbeläge (BGBI 609/1973) wird die Sichtbarkeit des Resteindruckes anhand der Eindrucktiefe beurteilt.
Bei den geprüften Proben/Mustern ist die festgestellte Eindrucktiefe sowohl direkt nach der Entlastung als auch nach 48 Stunden Entlastung als stark sichtbar einzustufen bzw. zu bezeichnen.
Für die Bewertung der Sichtbarkeit der Eindrucktiefe wurde die folgende Beurteilungsskala festgelegt:
5 = sehr stark sichtbarer Eindruck
4 = stark sichtbarer Eindruck
3 = deutlich sichtbarer Eindruck
2 = gering sichtbarer Eindruck
1 = nicht sichtbarer Eindruck
Gesamtbeurteilung aus Sachverständigersicht
Handwerkliche Fehlleistungen und/oder anwendungstechnische Problemstellungen im Rahmen der Unterbodenvorbereitungsarbeiten sowie bezüglich der Verlegung/Klebung waren anlässlich des Gutachtertermins nicht feststellbar.
Die entsprechenden Unterbodenvorbereitungsarbeiten sowie die Verlegung und Klebung der Synthesekautschuk-Bodenbelagbahnen entsprachen insgesamt gesehen den allgemein anerkannten Regeln des Fachs und auch dem Stand der Technik sowie den Anforderungen der VOB, Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“.
Die Versuchsdurchführungen im ISH Prüfinstitut Bau- und Fußbodentechnik in Zusammenarbeit mit dem ÖTI „Institut für Ökologie, Technik und Innovation“ haben bestätigt, dass der von der Bodenbelagherstellerin/Bodenbelaglieferantin gelieferte und vom Auftragnehmer verlegte/geklebte Synthesekautschuk-Bodenbelag den technisch zugesicherten Eigenschaften (der Bodenbelagherstellerin/Bodenbelaglieferantin) sowie auch den Anforderungen der EN 428, der ISO 7619 und auch der EN 433 entspricht.
Unter Würdigung und Einbeziehung des vorgenannten Sachverhaltes sind die hier in Rede stehenden „sichelartigen Eindrücke/sichelartigen Einkerbungen“ auf der Oberfläche der Synthesekautschuk-Bodenbelagflächen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen,
auf die unübliche Nutzung der Bodenbelagebene in Form von „Stuhlkippeln“,
auf schräg wirkende Schubbelastungen der Bestuhlung/der Stuhlbeine aufgrund des vorgenannten „Stuhlkippelns“.
Die nachfolgende technische Fotodokumentation soll den in diesem Fachbeitrag beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen.