Linoleum-Bodenbelagschäden durch Wasserdampfdiffusion?

Wer haftet für diese Feuchtigkeitsschäden

In einem besonders repräsentativen großen Verwaltungsgebäude hat der Auftragnehmer nach entsprechenden Unterbodenvorbereitungsarbeiten Linoleum-Bodenbelagbahnen vollflächig verlegt bzw. geklebt (auf eine zementäre Lastverteilungsschicht/Estrichkonstruktion nicht beheizt).

Nach relativ kurzer Nutzungszeit/relativ kurzer Frequentierung hat die Bestellerin gegenüber dem Auftragnehmer Mängelrüge erteilt.

Gerügt wurde, dass sich der Linoleum-Bodenbelag in unüblicher Weise einer Vielzahl Formveränderungen „blasenartig“ unterzogen hat.

Der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten hat im Rahmen der Gewährleistungsverpflichtung die hier in Rede stehenden Linoleumschäden abgelehnt, mit der Begründung, die blasenartigen Erhöhungen/Verformungen seien durch eine Wasserdampfdiffusion entstanden, die er als Auftragnehmer mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt hätte nicht erkennen können.

Aufgrund des vorgenannten Sachverhaltes hat der Besteller ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren eingeleitet.

Es soll der Beweis erhoben werden, worauf die Formveränderungen/blasenartigen Erhöhungen innerhalb der Linoleum-Bodenbelagebene zurückzuführen seien.

Wer hat die Linoleum-Fußbodenschäden nach dem Verursacherprinzip kostenmäßig zu vertreten?

Welche Sanierungsmaßnahmen sind erforderlich?

Der besondere Sachverhalt vor Ort anlässlich des Gutachtertermins

Der Gutachtertermin erfolgte im Rahmen eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens im Beisein von Beauftragten der beteiligten Parteien und deren Prozessbevollmächtigten.

Im Rahmen der qualitativen und quantitativen Bestandsaufnahme konnte festgestellt werden, dass sich eine Vielzahl unüblicher blasenartiger Erhöhungen innerhalb der Linoleum-Boden-belagfläche gebildet hat, die eine akute Unfallgefahr darstellen und auch die Nutzungs- und Gebrauchstauglichkeit in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt.

Die an Ort und Stelle durchgeführten CM-Feuchtigkeitsmessungen, die kapazitiven elektronischen Feuchtigkeitsmessungen und die auch weiterhin durchgeführten gravimetrischen Feuchtigkeitsbestimmungen/Darrprüfungen ergaben den Nachweis, dass überhöhte Restfeuchtigkeit, die nicht feuchtigkeitsresistenten Verlegewerkstoffsysteme nachteilig beeinflusst hat.

Der eingesetzte/verwendete Dispersionsklebstoff war in sich reemulgiert.

Weiterhin konnte jedoch auch zusätzlich festgestellt werden, dass in großen Teilflächenbereichen die Durchlaufmenge des Klebstoffs für die Klebung der Linoleum-Bodenbelagbahnen als viel zu gering einzustufen war bzw. ist und dass auch in Teilbereichen die Einlegezeit des Klebstoffsystems überschritten war, so dass auch großflächig keine bzw. eine sehr geringe Klebstoffbenetzung an der Rückseite des Linoleum-Bodenbelages ermittelt werden konnte.

Die an Ort und Stelle bereits durchgeführten raumklimatischen Bedingungen mit dem speziellen Prüfgerät Testo 845 ergaben die nachfolgenden Werte:

relative Luftfeuchtigkeit:             65,1 %

Bodentemperatur:                        21,7 °C

Taupunkttemperatur:                   14,8 °C.

Fußbodenschäden durch Wasserdampfdiffusion?

Hätten Sie das gewusst?

Das Fachgebiet Bauphysik beschreibt die Phänomene Schall, Wärme, Feuchte, Licht und Brand.

Diese Phänomene beeinflussen die Bauteile der Gebäude.

Tragende Decken bzw. Fußböden trennen beispielsweise Räume gegen Außenluft oder gegen Erdreich.

Decken trennen aber auch Räume bzw. Geschosse verschiedener Nutzung z. B. einem Wohnraum über einer Schwimmhalle oder eine Produktionshalle über einem Heizraum.

Das Gebiet Feuchte im Bereich des Bauwesens befasst sich mit dem Feuchteschutz der Gebäude, d. h. mit:

Abdichtungsmaßnahmen gegen aufsteigende Bodenfeuchtigkeit,

  • dem Schutz gefährdeter Fußbodenschichten gegen Spritz- und Oberflächenwasser,
  • dem Schutz der Bauteile gegen Bodenfeuchte und
  • der Vermeidung von Tauwasserbildung innerhalb der Konstruktion.

Theoretische Behandlung der physikalischen Zusammenhänge

Vor allem beim Einsatz von elastischen Bodenbelägen (= PVC), Gummi und Linoleum-Bodenbelägen oder Kunstharzbeschichtungen die einen relativ hohen Wasserdampfdiffusionswiderstand aufweisen, in Verbindung mit nicht feuchtigkeitsresistenten Lastverteilungsschichten/Estrichkonstruktionen, wie z. B. Magnesia oder Anhydritestrich und/oder nicht alkalibeständige Verlegewerkstoffe entstehen in Folge verschiedener Wasserdampfteildrücke und Temperaturdifferenzen, die in der Praxis bekannten Feuchtigkeitsschäden.

Die Feuchtespeicherung

Die Feuchtespeicherung von Stoffen ist von der Temperatur und vom Stoffgefüge, d. h. soporös oder nicht abhängig.

Beispielsweise kann die Luft nur eine bestimmte Menge Wasserdampf, d. h. Wasser in gasförmigem Zustand aufnehmen.

Dieser Zustand ist bei der Sättigung der Luft mit Wasserdampf erreicht.

Diese von der Luft aufnehmbare Wassermenge ist allerdings sehr stark von der Temperatur abhängig.

Die Luft kann aber auch mit viel Wasserdampf übersättigt sein.

Das bedeutet, die lösliche Menge Wasserdampf wurde überschritten.

Der vorgenannte Zustand äußert sich dann in der Form, dass sich feine Tröpfchen, die als Nebel oder Wolken in Erscheinung treten, beispielsweise auf festen Gegenständen in Form von Tauwasser niederschlagen.

In der Mehrzahl der Fälle enthält die Luft geringere Wasserdampfmengen, als die bei der betreffenden Temperatur „löslich“ wären.

Die Wassertransportmechanismen

Kapillarität

Unter dem Begriff werden physikalische Erscheinungen bei Flüssigkeiten zusammengefasst, die von spezifischen Kraftwirkungen an der Oberfläche der Flüssigkeit in engen Proben und Röhrchen beeinflusst werden.

Die Krafteinwirkung der Oberfläche von Flüssigkeiten ist von Flüssigkeit zu Flüssigkeit unterschiedlich und wird durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeiten charakterisiert.

Diffusion

Als Diffusion bezeichnet man das Wandern einzelner kleiner Teilchen, welche aufgrund der thermischen Eigenbeweglichkeit (der Teilchen) verursacht wird.

Es werden drei Arten von Diffusion von Wassermolekülen unterschieden:

Oberflächendiffusion,

  • Lösungsdiffusion,
  • Wasserdampfdiffusion,
  • Wasserverdunstung.

Berechnung der Wasserdampfdiffusion durch eine Fußbodenkonstruktion

Die Wasserdampfdiffusion kann innerhalb der Bauteile zu Tauwasserbildungen führen.

Zur Vermeidung von Schäden der unzulässigen Minderung des Wärmeschutzes, Schimmelbildungen oder Baustoffkorrosionen ist die Begrenzung der Einwirkung von Tauwasser auf die Baukonstruktion gefordert.

Diese Grundforderungen zum Vermeiden von Schäden stellt die DIN 4108 Teil 3 „Klimabedingter Feuchteschutz“ dar.

Diffusionsberechnungen

Diffusionsberechnungen sind nur dann durchzuführen, wenn eine Tauwasserbildung im inneren von Bauteilen stattfinden kann; sie werden in zwei Teilen durchgeführt:

Berechnung des Tauwasserausfalles oder Berechnung der Verdunstung.

              Absolute Luftfeuchte

Beispielsweise liegt die höchste absolute Luftfeuchte oder max. Luftfeuchte bei

20 °C = 17,32 g Wasserdampf/m3 Luft.

Erst beim Erreichen dieser absoluten Wasserdampfmenge ist die Luft bei dieser Temperatur nicht mehr fähig, noch weiteren Wasserdampf aufzunehmen.

Ist die Wasserdampfsättigungskonzentration in der Luft überschritten, so kann der Überschuss an Wasserdampf nicht mehr in der Luft gebunden werden und fällt in flüssiger Form (Tröpfchenform) aus.

Ausfallender = kondensierender Wasserdampf schlägt sich als Tau an Oberflächen fester Stoffe nieder.

Sind keine festen Stoffe vorhanden, so entsteht Nebel oder Wolkenbildung.

Ist eine Wasserdampfdiffusion – innere Kondensation für diese Linoleum-Fußbodenschäden verantwortlich?

Wasserdampfdiffusionsberechnungen haben ergeben, dass eine Taupunktverlagerung /innere Kondensation, bezogen auf die hier in Rede stehenden Linoleum-Bodenbelagschäden nicht schadhaft wirksam wurde.

Im Rahmen des hier in Rede stehenden gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens konnte der Nachweis erbracht werden, dass:

a)    innerhalb der hier in Rede stehenden Estrichkonstruktionen/Lastverteilungsschichten keine funktionstauglichen Feuchtemessungen des Auftragnehmers stattgefunden haben,
b)    unterschiedliche Estrichdicken auch Feuchtigkeitsnester verursacht haben,
c)    handwerkliche Fehlleistungen und anwendungstechnische Problemstellungen die hier in Rede stehenden Fußbodenschäden zusätzlich verursacht, also forciert haben.

Alle Folgekosten mittelbarer und unmittelbarer Art gehen somit zu Lasten des Auftragnehmers für Linoleum-Bodenbelagarbeiten.

Von einem „verdeckten Mangel“ in Form eines verdeckten Sachverhaltes hinsichtlich der behaupteten Wasserdampfdiffusion kann nicht die Rede sein.

Die überhöhte Restfeuchtigkeit innerhalb der zementären Lastverteilungsschicht/Estrich-konstruktion hätte mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt des Auftragnehmers entsprechend den allgemein anerkannten Regeln des Fachs unter Einbeziehung der VOB Teil C DIN
18 365 „Bodenbelagarbeiten“ ermittelt werden können bzw. festgestellt werden müssen.

Selbstverständlich können unterschiedliche Estrichdicken im Rahmen der üblichen CM-Feuchtigkeitsmessungen nicht festgestellt werden.

Durch elektronische kapazitive Feuchtemessungen wären derartige „Feuchtigkeitsnester“ festgestellt worden (innerhalb der zementären Estrichkonstruktion/Lastverteilungsschicht).

Durch die Reemulgierung und auch Verseifung des eingesetzten Verlegewerkstoffsystems und die zusätzlich ermittelten handwerklichen Fehlleistungen des Auftragnehmers liegen insgesamt gesehen irreparable Linoleum-Fußbodenschäden vor.

Eine Neuverlegung der gesamten Linoleum-Bodenbelagflächen, die mit Mängeln behaftet waren bzw. sind, ist erforderlich, entsprechende Trocknungszeiten sind einzuhalten und/oder entsprechende kapillarbrechende Schichten zu verwenden bzw. einzusetzen.

Der Aufragnehmer/Verarbeiter in der Fußbodentechnik ist verpflichtet, unabhängig davon, welche Vertragsgestaltung mit dem Besteller vereinbart worden ist, seine Leistungen entsprechend den anerkannten Regeln des Fachs herzustellen bzw. durchzuführen.

Die Funktionstauglichkeit /die Funktionalität des Gewerkes muss gewährleistet sein.

Der Auftragnehmer muss weiterhin bezüglich seines Gewerkes die notwendigen Sachkenntnisse besitzen, um den Auftraggeber/Bauherrn (=Besteller) sachkundig beraten zu können.

Die nachfolgende

technische Fotodokumentation

soll den in diesem Fachbeitrag beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen.

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