Wenn das Gesamtbild einer Teppichbodenebene in einem besonders repräsentativen/exklusiven Hotel bezüglich des Geltungsnutzens erheblich beeinträchtigt vorliegt

Welche Beurteilungskriterien sind „nach dem Verursacherprinzip“ zu berücksichtigen?

Der Auftragnehmer erhielt von der Bestellerin den Auftrag auf einer Grundrissfläche von über 1.000 m² in einem besonders repräsentativen/exklusiven Hotel (Hotelanlage) die hier in Rede stehenden Teppichbodenarbeiten durchzuführen.

Vertragsbestandteil waren die allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik sowie die VOB, Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“.

Nach entsprechenden Unterbodenvorbereitungsarbeiten wurde die besondere Teppichbodenkonstruktion/Teppichbodenqualität (= getufter Schnittflor mit einer zusätzlichen Acousti-back Ausrüstung) vollflächig verlegt bzw. geklebt.

Die Bestellerin hat gegenüber der Auftragnehmerin Mängelrüge erteilt.

Gerügt wurden:

a)    erhebliche Farbdifferenzen/Farbabweichungen von nebeneinander liegenden Teppichbodenbahnen,

b)    Eindrücke/mangelhafte Wiedererholbarkeit der Teppichbodenkonstruktion,

c)    weitere handwerkliche Fehlleistungen bezüglich Verlegung/Klebung der Teppichbodenbahnen = Flickwerk.

Welche Schadensbilder/Erscheinungsbilder lagen im Einzelnen vor?

Handelt es sich um irreparable Sachverhalte?

Im Lobbybereich, in den jeweiligen Foyers aber auch in den Seminarräumen, überall dort, wo diese hier in Rede stehende Teppichbodenkonstruktion vollflächig verlegt bzw. geklebt worden ist, konnte der Nachweis erbracht werden, dass im Bereich von Druckbelastungen durch Stühle, Tische und anderes Mobiliar die Teppichbodenkonstruktion erhebliche Eindrücke, die das Gesamtbild der Teppichbodenebene bezüglich des Geltungsnutzens erheblich beeinträchtigen, aufgewiesen hat.

Im Bereich der vorgenannten Druckbelastungen durch Tische, Stühle und anderes Mobiliar wurde die Polschicht der bereits mehrfach genannten Teppichbodenkonstruktion erheblich „gestaucht“, so dass bezogen auf die Polhöhe von ca. 6 mm die Vertiefungen innerhalb der Teppichbodenkonstruktion/-nutzschicht/-polschicht sehr deutlich störend sichtbar waren.

Weiterhin konnte im Rahmen der Beweissicherung zusätzlich der Nachweis erbracht werden, dass handwerkliche Fehlleistungen des Auftragnehmers erkennbar vorgelegen haben, und zwar hinsichtlich eines „Musterversatzes“ zwischen 10 mm bis 15 mm.

Auch die Teppichbodennahtkanten waren nicht überall dicht geschlossen und auch nicht geradlinig geschnitten.

Fehlstellen und Stauchungen im Nahtkantenbereich der nebeneinander liegenden Teppichbodenbahnen waren feststellbar.

Die vorgenannten Untersuchungen/Prüfungen erfolgten bei den nachfolgenden raumklimatischen Bedingungen:

Relative Luftfeuchtigkeit:                                36,3 %

Bodentemperatur:                                           22,2° C

Taupunkttemperatur:                                      4,8° C.

Hierbei handelt es sich um Mittelwerte aus einer Vielzahl Einzelmessungen.

Diese raumklimatischen Bedingungen wurden ermittelt mit dem Infrarot-Thermometer mit Switch-Optik „Testo 845“. Hierbei handelt es sich um ein elektronisches Infrarot-Gerät mit umstellbarer Optik für Messungen im Fernfeld und im Scharfpunkt. Ausgerüstet mit einer sehr hellen Kreuzlasermarkierung zur Darstellung des realen Messbereichs. Referenzgenauigkeit + 0,75 °C mit enorm schneller Messtechnik (Scanning 100 ms), Auflösung 0,1 °C, Messbereich – 35 °C …+950 °C.

Besonderer Hinweis

In weiteren Teilflächenbereichen der hier in Rede stehenden Hotelanlage wurden erhebliche/abnorme Farbabweichungen/Farbdifferenzen von nebeneinander liegenden Teppichbodenbahnen festgestellt.

Diese vorgenannten Farbabweichungen/Farbdifferenzen sind als sehr deutlich erkennbar einzustufen und durften somit mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt nicht verlegt also nicht geklebt werden.

Die Überprüfungen mittels eines großen Graumaßstabes ergaben den Wert/die Echtheitszahl von 2,5 bis 3,0.

Der 5stufige Graumaßstab besteht aus 5 Paaren matter, grauer Gewebeabschnitte, die die Farbabstände veranschaulichen, die den Echtheitszahlen 5, 4, 3, 2 und 1 zugeordnet sind.

Der erste Abschnitt jeden Paares ist neutral grau und der zweite Abschnitt des Paares, das die Echtheitszahl 5 veranschaulicht, ist identisch mit dem ersten Abschnitt.

Die zweiten Abschnitte der übrigen Paare zeigen von 5 nach 1 zunehmend hellere Graustufen, so dass jedes Paar zunehmende Kontraste oder Farbabstände veranschaulicht, die farbmetrisch festgelegt sind.

Beim Bewerten der Änderung der Farbe werden die Qualitätsprobe und das Stück aus der verlegten Ware nebeneinander gelegt.

Der Graumaßstab für die Bewertung der Änderung der Farbe wird dann daneben gelegt. Diejenige Stufe des Graumaßstabes für die Änderung der Farbe, die den Farbabstand zwischen der Qualitätsprobe und der zu prüfenden Probe am nächsten liegt, wird als Echtheitszahl angegeben.

Der Farbunterschied kann bedingt sein durch Änderung eines oder mehrerer der folgenden, die Farbe charakterisierenden Merkmale: Farbton, Farbtiefe, Reinheit (Brillanz).

Die Echtheitszahlen des Graumaßstabes sind von 1 bis 5 eingeteilt, wobei die Echtheitszahl 5 nur dann gegeben wird, wenn zwischen den aneinandergrenzenden Bodenbelagbahnen kein Unterschied zu erkennen ist.

Die Echtheitszahlen 4 sind eingestuft in fabrikationsbedingte und daher unvermeidbare Farbtonänderungen, während die Echtheitszahl 3 einen Ermessensspielraum frei lässt im Zusammenhang damit, ob diese Farbtonveränderung das Gesamtbild des Belages erheblich beeinträchtigt.

Eine Aufstellung allgemeinverbindlicher Farbtoleranzgrenzen und eine normative Festlegung solcher Toleranzen sind bis zum heutigen Zeitpunkt nicht realisierbar.

Bei Großobjekten ist es empfehlenswert, zwischen dem Hersteller und dem Verarbeiter Toleranzvereinbarungen einvernehmlich mit dem Auftraggeber auf der Basis individueller Übereinkunft zu treffen.

Grundsätzlich:

Die Unzulässigkeit von Farbabweichungen ist nur dann gegeben, wenn diese auffallend störend aus dem Gesamtbild des Bodenbelages hervortreten und dieses dadurch erheblich beeinträchtigt wird.“

Weitere Hinweise aus dem Beck´sche VOB- und Vergaberechts-Kommentar, VOB,Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“

Diesbezüglich ist gemäß der hier in Rede stehenden Farbdifferenzen noch Folgendes nachzulesen:

„…Beim Bewerten der Änderung der Farbe werden ein Vergleichsmuster und das Stück aus der verlegten Waren nebeneinander gelegt. Der Graumaßstab für die Bewertung der Änderung der Farbe wird dann daneben gelegt. Diejenige Stufe des Graumaßstabes, für die die Änderung der Farbe, die den Farbabstand zwischen der Qualitätsprobe und der zu prüfenden Probe am nächsten liegt wird als Echtheitszahl angegeben.

Die Echtheitszahl 5 wird nur dann gegeben, wenn zwischen der Rückstellprobe und der verlegten Ware kein Unterschied zu erkennen ist.

Die Echtheitszahlen 4 sind eingestuft in fabrikationsbedingte und daher unvermeidbare Farbtonänderungen, während die Echtheitszahl 3 einen Ermessungsspielraum darüber eröffnet, ob diese Farbtonänderung das Gesamtbild des Belages erheblich beeinträchtigt.

Liegen die Echtheitszahlen 2 oder 1 vor, so beeinträchtigt die Farbabweichung das Gesamtbild des Belages erheblich.

Die Bestimmung des Abschnittes 2.6, dass Farbabweichungen nur geringfügig sein dürfen, stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Verwendet der Auftraggeber diese Klausel, so ist sie wirksam, da es dem Auftraggeber frei steht, Farbabweichungen hinzunehmen. Allerdings ist diese Klausel sehr Konflikt beladen. Denn was für den Auftragnehmer geringfügig ist, kann für den Auftraggeber bereits erheblich sein. Will der Auftraggeber das Maß der erlaubten Farbabweichung selbst bestimmen, so empfiehlt es sich im Vertrag anzugeben, ob und welche Abweichungen nach dem Graumaßstab noch erlaubt sein soll.

Verwendet der Auftragnehmer die Klausel, dass Farbabweichungen gegenüber den Proben nur geringfügig sein dürfen, so ist sie unwirksam. Denn der Auftraggeber ist damit verpflichtet, eine Farbabweichung zu akzeptieren, auch wenn er tatsächlich nicht dazu bereit war. Insbesondere entfaltet ein Vorbehalt, wie z. B. „handelsübliche Farbabweichungen von Muster werden vorbehalten“ keine Wirkung. Denn der Verwender würde damit eine Freizeichnung von der Haftung für die vertraglich versprochene Leistung erreichen, und das ist unzulässig.

Bei der Beurteilung sind u. a. die Möblierung, die Lage der Farbtonabweichung sowie die Nutzung des Raumes zu berücksichtigen. Bei mehr als nur geringfügigen Farbtonabweichungen, z. B. Stufe 3 oder intensiver können Wertminderungen angesetzt werden. Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Sachverständigen die Beurteilung und Bewertung unabhängig durchzuführen und danach die Wertminderung anzugeben. Die Wertminderungssätze gelten für den Rechnungsbetrag der Bodenbelagarbeiten für den betreffenden Teilflächenbereich sofern dieser in sich abgeschlossen ist. Ansätze zur Wertminderung nach Stufen des Graumaßstabes befinden sich in der Tabelle 1 des Merkblattes „Beurteilung von Farbtonabweichungen bei Bodenbelägen unter Anwendung des großen Graumaßstabes…“.

Bereich/Stufegewerblichmittlere Bedeutungbesondere Bedeutung
310 bis 15 %ab 25 %
3 bis 45 bis 7< 10 %10 bis 15 %
> 4keinebis 5 %5 bis 10 %

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Mängelrüge des Bestellers gegenüber dem Auftragnehmer berechtigt war und ist. Sanierungsmaßnahmen sind unabdingbar erforderlich bezüglich der hier in Rede stehenden Farbdifferenzen/Farbabweichungen.

Bezüglich der Eindrücke/die ungenügende Wiedererholbarkeit wird noch Folgendes ausgesagt:

„…Die festgestellten Konstruktionsdaten entsprechen, unter Zugrundelegung der Toleranzen gemäß EN 1307 „Textile Bodenbeläge, Einstufung von Polteppichen“, den Angaben des Technischen Produktdatenblattes.

Bezüglich des Eindruckverhaltens werden in der aktuellen Einstufungsnorm EN 1307 keine Anforderungen mehr bezüglich des Resteindruckes gestellt.

Legt man die zuvor bekannten Einstufungskriterien gemäß DIN 66095 Teil 2 (zurückgezogen: Juni 1997) der Beurteilung zu Grunde, so erfüllt das Prüfmuster bezüglich des Resteindruckverhaltens die Anforderungen des Strapazierwertes „stark“ bzw. „extrem“ (dies entspricht Klasse 23/32 bzw. 33 gemäß EN 1307); der zur Einstufung maßgebende Stuhlbeinindex stellt jedoch den gerade noch zulässigen Grenzwert dar…“

Die vorgenannten Prüfungen erfolgten entsprechend der ISO 3415 „Statischer Druckversuch“.

Prüfung des Eindruckverhaltens/Statischer Druckversuch (ISO 3415)

 

Dicke vor der Belastung (Normdicke)

20)

Dicke bei der Belastung

 

 

2200)

Zusammen-
drückbarkeit

 

 

 

(Z2200)

Eindrucktiefe
nach 60 min.
Entlastung

 

 

(E20,60)

Mittelwert (mm)10,64,46,21,1
Variationskoeffizient (%)1,16,1
VBabs(95%) (mm)+ 0,1+ 0,1
Sichtbarkeit der Eindrucktiefe:Beurteilungsnote: 4


Beurteilung der Sichtbarkeit der Eindrucktiefe:

Beurteilungsnoten: Note 1 = extrem stark sichtbare Eindrucktiefe;

Note 5 = nicht sichtbare Eindrucktiefe.

Die nachfolgende technische Fotodokumentation

soll den in diesem Fachbeitrag beschriebene Sachverhalt verdeutlichen.

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